Niemals geht ein Hund so ganz ….

Kennen Sie das auch: Sie gehen mit Ihrer Fellnase spazieren und erleben ein Déjà-vu.
Ihr Hund verhält sich plötzlich genau so, wie es Ihr bereits verstorbener Hund tat:  Sei es, dass er Ihnen ein Stöckchen bringt, genau von der Stelle, wo auch Ihr verstorbener Hund sein „Holzlager“ hatte. Oder Sie gehen gemeinsam  genau über die Wiese, über die Sie unzählige Male mit Ihrem verstorbenen Hund gingen.
Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

In diesen Situationen habe ich immer ein lachendes und ein weinendes Auge.
Lachend, weil in diesem Moment all die schönen Erinnerungen an meine leider verstorbenen Hunde wieder ins Gedächtnis gerufen werden. Weinend, weil mir schmerzlich bewusst wird: Unsere gemeinsame Zeit hier auf Erden ist für immer Vergangenheit. Nach ein paar Sekunden widme ich dann wieder meine ganze Aufmerksamkeit meinem Hund, der gemerkt hat, dass ich mal eben kurz „nicht ganz da“ war.

Amber, Camelot & Kira im Garten
Amber, Camelot & Kira im Garten

Ich bin dankbar, für jeden Hund, der sein Leben mit mir teilt, auch wenn der Moment des „Abschied Nehmens für länger“ mir immer mein Herz zerreißt. Aber durch diese Erfahrungen und eben jenen Déjà-vus wird mir auch bewusst: Niemals geht ein Hund so ganz.
Neben den Spuren, die er in meinem Herzen hinterlässt, ebnet er auf gewisse Art und Weise (und jeder Hund hat da so seine eigene Art, das können Sie mir glauben) den Weg für einen neuen Hund im meinem Leben.
Meine verstorbenen Hunde haben mich unendlich viel gelehrt.
Die wichtigsten Fragen, auf die sie mir ihre speziellen Antworten gaben lauten:
Wie sollte ich in bestimmten Situationen reagieren und wie besser nicht?
Wie gestalte ich am besten einen Tagesablauf, wenn ein Hund sein Leben mit mir teilt?
Kurz: Wie richte ich mein Leben ein, wenn (m)ein Hund darin (s)eine zentrale Rolle spielt?
Natürlich wird der Einwand „Jeder Hund ist anders“ auch von mir zu 100% unterschrieben, aber das „Grundgerüst“ für ein wertvolles Leben und Lernen gemeinsam mit Hund bringt einem schon die erste eigene Fellnase erfolgreich bei.
Neben den vielen Lektionen im gemeinsamen Lernen haben mich meine Regenbogenhunde vor allem aber auch eins gelehrt: Sterben gehört zum Leben und daher lebe jetzt  – denn niemand weiß, was morgen ist! Diese „Was passiert wenn ….“ Ängste oder „Das mache ich nicht weil ….“ Sorge hat man sicherlich. Häufen sollten sie sich jedoch auf keinen Fall.
Denn Sorgen und Ängste um die geliebte Fellnase, die noch gar nicht gestorben ist, sondern munter ihr Leben mit mir teilt,  schränken das gemeinsame Leben extrem ein. So wird dann schon noch zu Lebzeiten des Hundes vermeintlich „vorgesorgt“: Nein, dieses und jenes darf der Hund nicht, weil der verstorbene Hund hat das nicht gemocht, vertragen, gewollt, kam dummerweise dabei zu Schaden …

Wie war das dann mit „Jeder Hund ist anders?“

Wenn man schon Hunde hat gehen lassen müssen, neigt man dazu, um die noch lebende Fellnase eine Art „Goldenen Käfig“ zu errichten, oder sie in Watte zu packen. Sein wir mal ehrlich: Beides hat nichts mit einem lebenswerten Hundeleben zu tun.

Kira, Amber & Camelot
Kira, Amber & Camelot

Vorsicht und Erfahrungen, ja, die sollten durchaus im gemeinsamen Leben mit Hund(en) zum Tragen kommen. Panische Einschränkungen sind jedoch völlig kontraproduktiv. Sie nutzen niemandem, am allerwenigsten dem geliebten Hund.
Eines ist sicher: auch der Hund, der aktuell sein Leben mit mir teilt, wird eines Tages sterben.
Sein Geist wird frei sein, sein Körper nur noch eine leere Hülle.
Bis es jedoch soweit ist, sollte jeder Hundehalter, das Leben mit seinem Vierbeiner genießen. Das Wissen um ein unausweichliches Ende bedeutet nämlich nicht, dass das Leben von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist.
Wenn es um liebevolle Erinnerungen geht, so sollten diese ihrem Namen auch alle Ehre machen und einen nicht zum verzweifelten Weinen bringen.

Sei es der gemeinsame, wunderschöne Spaziergang, am Abend, den gemeinsamen Spaß beim Spielen, der gemeinsam erlebte Urlaub, die „geheime“ Waldstrecke, die sonst kein Mensch-Hund-Team kennt: DAS macht das Leben mit Hunden aus. Und diese Erinnerungen helfen mir zumindest weiter, wenn der Hund seine Reise ins Regenbogenland angetreten hat.
Wo immer auch dieses Land liegen mag:
Ich bin sicher, dass alle Hunde von dort liebevoll auf uns hinabblicken. Welcher Hund wäre glücklich, wüsste er seinen Menschen hier unten tottraurig? Genau – nicht ein einziger.

Amber, Milli-Mi & Archy
Amber, Milli-Mi & Archy

Es liegt nicht im Wesen der Hunde hier und heute über den eigenen Tod nachzudenken. Sie leben im hier und jetzt und genießen jeden Augenblick. So als gäbe es kein Morgen. Und leider ist es manchmal auch tatsächlich so. Aber sollte uns dies etwa daran hindern, das Leben mit unseren Hunden in vollen Zügen auszukosten? Ich denke nicht. Ein beständiges Denken an das Schlimmste, hindert doch jeden daran, das zu erleben, wovon alle Hundefreunde immer und völlig zu Recht schwärmen: Ein Leben mit Hund.

Natürlich werde auch ich, wenn meine Milli-Mi sich auf den Weg macht, am Boden zerrstört sein. Natürlich werde auch ich, alles um mich herum vergessen.
Natürlich werde ich um sie weinen und trauern.
Auch ich mache mir meine Gedanken, was passiert, wenn es passiert.

Milli-Mi und Amber
Milli-Mi und Amber

Aber diese Gedanken wische ich so schnell es geht wieder fort, auch wenn meine Milli-Mi bereits eine Seniorin ist, die sich leider nicht bester Gesundheit erfreut.
Denn diese negativen Gedanken behindern das gemeinsame Leben, machen es fast unerträglich. Wenn es eines Tages – oder vielleicht auch schon morgen – soweit sein sollte, dann werde ich es nicht ändern können. Und irgendjemand hat mal gesagt: Gib mir die Kraft, Dinge, dich ich nicht ändern kann, zu akzeptieren. Ich versuche es zumindest.
Wenn irgendwann der Tag „X“ kommt, werde ich, obwohl ich schon fünf Regenbogenhunde habe, nicht „vorbereitet“ sein. Man kann sich nicht „vorbereiten“, aber ich bin sicher, wenn es soweit ist, werden meine „Regenbogen-DoDo´s“ die Milli-Mi herzlich begrüßen und eines Tages, irgendwann und irgendwo, werden wir uns alle wiedersehen.

[Nachwort:
Kurz nachdem dieser Text eingereicht wurde, erkrankte meine Milli-Mi schwer. Wir verbrachten ihre letzten Tage hier auf Erden mit dem Wechsel zwischen der Tierklink und Daheim. Täglich bekam mein Schätzchen Infusionen. Ihre Hämatokrit- und Gerinnungswerte rutschten ins bodenlose. Die Ursache konnte nicht diagnostiziert werden und schwankten zwischen: Vergiftung, Morbus Addison Schub bis hin zu Autoimmunerkrankung und Leukämie. Ich kenne bis heute nicht die Ursache. Was mit jedoch klar war: Ein unnötiges Leid, werde ich meinem Schatz ersparen.
So traf ich am 01.05.2016 den schwersten Liebesbeweis und ließ meine Milli-Mi in Würde Daheim im Kreise ihrer Lieben über die Regenbogenbrücke gehen. Die vergangenen neun Tage zwischen Klink und Daheim, das Hoffe, das Bangen und dann die Gewissheit, dass sie nicht geheilt werden kann, zerrte all meine Kräfte auf.
Am Tag, nachdem Milli-Mi ihre Reise angetreten hat, fiel ich in ein tiefes, emotionales Loch.
Ich weinte den ganzen Tag und konnte überhaupt nichts mit mir und meinem Leben anfangen.
Der erste Tag nach über 15 Jahren in (Mehr-) Hundebegleitung war schlicht die Hölle auf Erden für mich. Am nächsten Tag traf ich die Entscheidung, mit einem neuen Hund mein Leben teilen zu wollen. Ist der Schmerz beim Abschiednehmen auch noch so unerträglich, ist die Trauer auch noch so groß: Das gemeinsame LEBEN mit einem Hund an der Seite wiegt dies alles für mich wieder auf.

Herr Ruk Foto: Kerstin Benz
Herr Ruk
Foto: Kerstin Benz

Meine Suche nach einem neuen vierbeinigen Partner an meiner Seite führte mich ins Tierheim. Dort fand ich Ruk, einen noch recht jungen Buben. Eigentlich suchte ich eine mittelgroße, helle Hündin. Aber wie heißt es so schön: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Und das ist auch gut so.
Als ich zum ersten Mal ins Tierheim fuhr, hörte ich im Radio den Song, den ich immer mit meiner Amber zusammen gehört hatte: Music von John Miles.
„Das darf doch wohl nicht wahr sein“, war mein Gedanke.
Nach zwei Wochen, genau am Tag der Vorkontrolle, kam die Asche meiner Milli-Mi wieder nach Hause zurück.
Der Tierbestatter traf zu dem Zeitpunkt ein, als die beiden Damen der Vorkontrolle mir ihr OK für Ruk gaben. Zufall?
Einen Tag später, ich wollte gerade die Kaution für Ruk abholen, lief wieder „unser Song“ im Radio.
Ich sehe das Ganze als eine Art „Zeichen meiner Vierbeiner“.

Nun lebt der kleine Ruk seit 10 Tagen bei uns. Meine Milli-Mi begleitet mit heute seit vier Wochen von der anderen Seite. Sie fehlt mir sehr und Ruk ist sicherlich kein „Trost“ oder gar „Ersatz“, aber er zeigt mir, dass auch ein anderer Hund meine Liebe verdient hat. Er tritt sicher in die Pfotenspuren meiner Regenbogenkinder, aber sie alle haben ihren ganz eigenen Platz in meinem Herzen, der nur für sie bestimmt ist. Für immer.

Lebenskreise:
Die Vollendung des einen, birgt den Beginn eines Neuen.