Hilfsmittel im Einsatz bei der Hundeerziehung

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Der richtige Einsatz von Hilfsmitteln in der Hundeerziehung wird ebenso heiß diskutiert wie die richtige Ernährung und die richtige Haltung unserer Hunde. Annette Möckel erläutert, was die besten Hilfsmittel sind, wenn es um die Erziehung des Familienhundes geht, und von welchen man besser Abstand nehmen sollte.

Halsband oder Geschirr

Halsband und Geschirr geben dem Hundehalter die Möglichkeit, eine Leine daran zu befestigen, um damit den Hund innerhalb eines bestimmten Radius um sich herum führen und kontrollieren zu können. Wie jeder Hundebesitzer aus eigener Erfahrung weiß, kann es zu starken Zugkräften kommen, entweder, indem der Mensch an der Leine zieht oder ruckt, oder, indem der Hund unvermittelt losspringt/-rennt und dadurch einen Ruck erzeugt, wenn die Leine zu Ende ist. Die Kräfte, die dabei auf den Körper des Hundes in Form von Zug oder Druck einwirken, können beachtlich sein. Die Krafteinwir- kung hängt von der Geschwindigkeit und dem Gewicht des Hundes sowie der Leinenlänge ab.

Ein breites, gepolstertes Lederhalsband für Hunde, die nicht an der Leine ziehen. Foto: Pixabay

Beim Halsband wirken diese Kräfte vor allem auf den Halsbereich des Hundes, also Kehlkopf, Schilddrüse und Halswirbelsäule. Die Impulse, die über die Leine auf den Hals des Hundes übertragen werden, bewegen sich dabei auf einer Skala von leicht bis hin zu sehr schmerzhaft. Befürworter nennen häufig als Argument für ein Halsband das Gefühl der besseren Kontrolle über den Hund, da hierbei die Einwirkung über die Leine direkt hinter dem Kopf des Hundes erfolgt.

Bei der Auswahl eines Halsbandes für den Hund sollte auf ein paar Dinge geachtete werden: Die Breite muss auf den Hund abgestimmt sein. Ein schmales Halsband kann bei einem großen Hund unangenehm einschneiden, ein zu breites bei einem zier- lichen Hund die Beweglichkeit des Kopfes einschränken. Zudem sollte es gut gepolstert und so verarbeitet sein, dass die Nähte und Verschlüsse nicht kratzen oder scheuern. Hat man sich für ein ungepolstertes Halsband entschieden, z.B. ein Gliederhalsband aus Metall oder eine Moxonleine (sie vereint Halsband und Leine in einem), hat man als Halter eine besondere Sorgfaltspflicht gegenüber dem Hund. Will man seinen Hund vor unnötigen Schmerzen durch das Halsband bewahren, bedarf es eines sehr sorgfältig aufgebauten Leinenführigkeitstrainings, so dass der Hund weiß, was von ihm erwartet wird. Bei einem sehr leinen- führigen Hund, der seinem Besitzer immer an locker durchhängender Leine folgt, wird es durch das Tragen eines Halsbandes sehr wahrscheinlich zu keinen Schmerzen oder gesundheitlichen Folgen für den Hund kommen.

Ein gut sitzendes Geschirr. Nicht nur für Welpen, sondern für alle Hunde, die ideale Lösung. Foto: Pixabay

Hat man einen „Spring-ins-Feld“ an der Leine, sollte man überlegen, ob es für Mensch und Hund nicht angenehmer ist, den Hund an einem gut sitzenden Brustgeschirr zu führen. Hier wirken die gleichen Kräfte auf den Hund wie beim Halsband. Allerdings ist beim Brustgeschirr die Fläche, über die sich diese Kräfte auf den Körper des Hundes übertragen, weitaus größer. Bei der Auswahl eines passenden Brustgeschirrs ist darauf zu achten, dass es die Bewegungsfreiheit des Hundes nicht einschränkt. Insbesondere die Schulterpartie soll frei beweglich sein und es soll am Brustkorb weder zu eng sitzen noch herumschlackern. Ebenso wie ein gutes Halsband soll es gut gepolstert und mit weichen Nähten versehen sein, die nicht scheuern. Der Bauchgurt soll ca. eine Handbreit hinter den Schulterblättern, die gepolsterten Verschlüsse etwa eine Handbreit rechts und links neben der Wirbelsäule liegen. Sorgfältig sollte man sich als Halter informieren, den Hund ausmessen und verschiedene Modelle anprobieren, bis man das ideale Geschirr gefunden hat.

Inzwischen werden Brustgeschirre angeboten, die über zwei Führringe verfügen. Man hat bei diesen Geschirren die Mög- lichkeit, die Leine an einem Brustring und dem Führring am Rücken des Hundes einzuhaken. Damit kann man den Hund an zwei Punkten gleichzeitig führen. Dies gibt Haltern ein besseres Gefühl der Kontrolle über den Hund. Beim Einhaken der Leine nur am Rückenring hat der Hund eine halbe Körperlänge mehr Freiraum, bevor er durch die Leine gestoppt wird.

 

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Erziehungshilfen

Neben der breiten Palette an Halsbändern und Leinen werden im Handel nach wie vor spezielle Hilfsmittel angeboten, die dem Besitzer zu einer besseren Kontrolle über den Hund helfen sollen. Diese Angebote reichen von Erziehungsgeschirren über Stachelhalsbänder, Sprühhalsbänder und Wurfketten bis hin zu Elektroschockhalsbändern, deren Anwendung in Deutschland verboten ist. Sie zielen alle auf das Bedürfnis des Halters ab, mit dem Hund spazieren gehen und zusammen leben zu können, ohne dass der Hund dabei lästiges und unerwünschtes Verhalten zeigt.

Laut deutschem Tierschutzgesetz ist es verboten, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen oder Leiden zuzufügen. Der Erwerb von tierschutzrelevanten Erziehungshilfen im Handel ist nach wie vor möglich, allerdings ist die Anwendung am Tier verboten. Da wundert es nicht, dass Halter aus Unwissenheit oder Ratlosigkeit zu solchen vermeintlich schnell wirksamen Lösungen greifen, in der Hoffnung, das Leben für sich und den Hund schnell in den Griff zu bekommen. Die Realität zeigt ein anderes Bild. Der unbedachte Einsatz von Erziehungshilfen, die auf dem Zufügen von Schreckreizen oder Schmerzen beruhen, führt zum Vertrauensverlust des Hundes zu seinem Besitzer. Das aus Sicht des Besitzers unerwünschte Verhalten wird für einen kurzen Zeitraum unterbrochen und unterdrückt. Die eigentliche Ursache, die diesem Verhalten zu Grunde liegt, bleibt durch die Strafmaßnahme unverändert erhalten. Hunde, die eine solche Trainingsvorgeschichte haben, werden oft im Rahmen der Problemberatung vorgestellt, weil sie im Laufe der Zeit Angst- oder Aggressionsprobleme in unterschiedlicher Ausprägung entwickelt haben.

Als aufgeklärte Hundehalter können wir alle dazu beitragen, dass solche, die Beziehung zwischen Mensch und Hund schädigenden Erziehungshilfen vom Markt verschwinden. Indem wir im Um- gang mit unseren Hunden bessere und effektive Trainingswege aufzeigen, die jedermann erfolgreich mit seinem eigenen Hund umsetzen kann, machen wir anderen Hundebesitzern Mut, auf belastende Erziehungshilfen zu verzichten. Zusätzlich baut man über gutes Training eine gute Beziehung zu seinem Hund auf, ein Wunsch, den alle Hundehalter haben.

Die passende Leine

Welche Leine verwendet wird, ob Schleppleine, oder nicht, ist vom Hund abhängig. Foto: Pixabay

Es gibt Leinen in allen möglichen Materialien und Längen. Ihnen allen gemeinsam ist der Zweck, den Bewegungsradius des Hundes einzugrenzen, um dem Hundehalter eine bessere Kontrolle über das Verhalten des Hundes zu ermöglichen. Insbesondere bei der Leinenlänge muss man folgenden Zusammenhang beachten: Je länger die Leine, desto größer der Impuls – sprich Ruck – der entsteht, wenn der Hund unerwartet mit hoher Geschwindigkeit die gesamte Leinenlänge ausnutzen kann und aus vollem Lauf in das Leinenende rennt. Die Krafteinwirkung auf den Halter und den Hund kann dabei enorm sein.
So kann aus dem gut gemeinten Hilfsmittel – eine lange Leine, die dem Hund möglichst viel Freiraum gewährt – schnell eine nicht unerhebliche Gefahr für Mensch und Hund werden, wenn es unsachgemäß verwendet wird. Wichtig beim Gebrauch von Schleppleinen ist deshalb, gewisse Sicherheitsregeln im Umgang einzuhalten.

Ein weiterer Aspekt beim Führen des Hundes an der Leine ist vielen Hundehaltern nicht bewusst. Hält man die Leine in der Hand, überträgt sich jede Bewegung des Menschen direkt zu Halsband oder Brustgeschirr des Hundes. Man kann die Leine also für eine sehr feine, wortlose Kommunikation mit dem Hund nutzen. Im Alltag vergessen wir diesen stetigen Einfluss unserer Bewegungen über die Leine auf den Hund allzu leicht. Der Hund lernt schnell, dass er diesen Signalen keine Beachtung schenken muss, bzw. manchmal reagiert der Hund auf die vom Halter unbewusst ausgesendeten Signale mit unerwünschtem Verhalten. In der Praxis sieht man diesen Effekt oft bei Hunden, die eine sogenannte Leinenaggression gegenüber Artgenossen entwickelt haben. In dem Moment, in dem der Halter zuerst einen anderen Hund erblickt, verkürzt er reflexartig die Leine, weil er bereits erwartet, dass sein Hund im nächsten Augenblick in die Leine springen wird. Der Hund wiederum springt bellend nach vorne – als Reaktion auf das unbewusst vom Halter gesendete Leinensignal.

 

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Kopfhalfter, Halti und Co:

Kopfhalfter sollen dem Hundehalter helfen, unerwünschtes Verhalten zu verhindern und den Hund leichter zu führen. Sie werden häufig empfohlen, wenn das Kräf- teverhältnis zwischen dem Besitzer und dem Hund zu Gunsten des Hundes geht. Die Leine wird am Ring des Kopfhalfters und zusätzlich am Halsband oder Brustgeschirr eingehakt. Wichtig beim sachgemäßen Gebrauch des Kopfhalfters ist, neben der Gewöhnung des Hundes an das Tragen des Kopfhalfters, eine fachkundige Unterweisung des Halters in die Anwendung des Kopfhalfters und das Führen des Hundes. Durch den direkten Kontakt der Leine zum Kopfbereich des Hundes ist der Einfluss des Menschen deutlich größer als beim Führen nur an Halsband oder Geschirr. Entsprechend können bei unsachgemäßem Gebrauch schnell Schmerz, Schreck oder Frustration beim Hund entstehen, die sich kontraproduktiv auf den Trainingserfolg auswirken. Eine Verwendung ausschließlich an kurzer Leine, keinesfalls an Roll- oder Schleppleine, sowie sanftes Ausbremsen des Hundes statt eines Leineruckes verstehen sich bei der Anwendung von Kopfhalftern von selbst. Ein Kopfhalfter sollte, wie viele andere Hilfsmittel, eine Hilfe zum Erreichen eines erwünschten Trainingsziels und keine Dauerlösung sein.

Maulkorb

Vielen Menschen fällt, wenn sie den Begriff Maulkorb hören, im ersten Mo- ment ein, dass er ein Zubeißen des Hundes verhindern kann. Für manche Rassehunde und deren Mischlinge gibt es bundeslandspezifische Vorgaben zum Tragen eines Maulkorbes in der Öffentlichkeit. Neben dem Tragen als Beißschutz kann der Maulkorb in einigen anderen Situationen als Hilfsmit- tel eingesetzt werden, und es ist durchaus sinnvoll, jeden Familienhund an das Tragen eines individuell gut passenden Maulkorbs zu gewöhnen. Bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel im In- und Ausland findet ein Maulkorb immer häufiger Verwendung, weil er von den Betreibergesellschaften für alle Hunde vorgeschrieben ist, die nicht in einer Transporttasche mitgeführt wer- den. Hundehalter nutzen ihn, um ihren Hund auf Spaziergängen davor zu schützen, Unrat oder Giftköder zu fressen. Eine Behandlung beim Tierarzt kann es ebenfalls erforderlich machen, dass der Hund sich kurzzeitig einen Maulkorb anziehen lässt. Zum Beispiel wenn der Hund sehr ängstlich in der Behandlungssituation ist und die Gefahr des Abwehrschnappens besteht. Beim Kauf des Maulkorbs gibt es, wie bei den meisten anderen Hilfsmitteln, eine Vielzahl an Modellen, so dass man für fast jeden Hund einen gut sitzen- den Maulkorb finden kann. Für kurznasige Rassen gibt es inzwischen eben- falls speziell angefertigte Modelle. Beim Kauf ist darauf zu achten, dass der Maulkorb gut am Nasenrücken des Hundes anliegt, ohne zu drücken, und dass er einen ausreichenden Abstand zum Nasenspiegel hat, um Druckstellen zu vermeiden.

Pfeife

Die Hundepfeife: Ein ideales, da im Ton immer neutrales, Hilfsmittel. Für welche Variante man sich entscheidet, bleibt einem selber übelassen. Foto: Pixabay

Mit Hilfe einer Pfeife kann man dem Hund über weite Distanzen Signale ge- ben. Häufig wird die Pfeife als Rückrufsignal genutzt. Ein klassisches Missverständnis bei der Anwendung ist, dass allein das Geräusch ausreichend ist, den Hund zur Rückkehr zum Besitzer zu veranlassen. Ein Pfiff als Rückrufsignal wird den Hund so zuverlässig zur sofortigen, schnellen Rückkehr zum Hal- ter veranlassen, so zuverlässig und sorgsam der Halter dieses Verhalten zuvor mit seinem Hund trainiert und verstärkt hat. Neben dem Einsatz als Rück- rufsignal sind eine Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten für die Pfeife denkbar: Anhalten, Suchen, Richtungswechsel, als sogenanntes Ankersignal, auch als Warnsignal könnte man einen Pfiff grundsätzlich aufbauen. Dem Vorteil, dass das Signal über eine größere Distanz für den Hund hörbar ist als die mensch- liche Stimme, steht der Nachteil gegenüber, dass man die Pfeife in allen Situ- ationen griffbereit haben muss, in denen man die zuvor trainierten Signale verwenden möchte. Der beste Rückpfiff nutzt nichts, wenn man die Pfeife zu Hause vergessen hat. Entsprechend der vorgesehenen Einsatzmöglichkeiten gibt es von der Trillerpfeife über Ultraschall- und Dummypfeife auch spezielle Hütehundpfeifen im Handel zu erwerben.

Weitere Hilfsmittel

Es gibt noch unzählige weitere sogenannte Hilfsmittel im Handel zu kaufen. Ein Blick in Hundezeitschriften oder gar Internetforen zeigt, dass sämtliche Hilfsmittel dazu geeignet sind, zu polarisie- ren und eine kontroverse Diskussion darüber auszulösen, was denn nun das „beste“ Hilfsmittel ist. Warum ist das so? Unsere Familienhunde sind unsere Sozialpartner und begleiten uns in unserem Alltag. Wir halten sie aus den unterschiedlichsten per- sönlichen Motiven, unter ganz unterschiedlichen Lebensbedin- gungen. Genau hier liegt einer der Gründe, warum der Einsatz von Hilfsmitteln immer wieder kontrovers diskutiert wird. Es sind nicht die Hilfsmittel als solche, die „gut oder schlecht“ sind, sondern es ist die Art der Anwendung, die sie in den Mittelpunkt von Debatten rücken. Bei sachlichen Diskussionen sollte es im- mer um den sinnvollen, zielgerichteten Einsatz der Hilfsmittel gehen, mit denen das gewünschte Trainingsziel erreicht werden soll. Was in einer Situation für ein bestimmtes Hund-Halter-Ge- spann ein angemessener Einsatz eines Hilfsmittels sein kann, ist bei einem anderen Team in dessen Situation vollkommen unan- gemessen. Als Besitzer geht es also darum, immer genau abzuwä- gen, welches Hilfsmittel setzt man wie, wo und wie lange ein und welches Trainingsziel wird mit dem Einsatz dieses Hilfsmittels verfolgt?

Ein Beispiel aus der Praxis:

Ein 9 Monate alter Junghund kommt mit seiner Besitzerin ins Training. Sie bittet um Rat, der bisher eigentlich ganz gut leinenführige Hund scheint in letzter Zeit alles vergessen zu haben, was die Besitzerin bisher mit ihm dazu geübt hat. Sie war am Wochenende mit ihrer Freundin und dem Hund in der Stadt unterwegs. Der junge Golden Retriever hing immer nur in der Leine und zog sie von einer Laterne zur nächsten. Die Freundin war am Ende des Tages völlig entnervt von diesem unerzogenen Hund. Zu guter Letzt wurde sie bei der Verabschiedung noch von ihm angesprungen. Mit solch ungezogenem Verhalten müsse ab sofort Schluss sein, der Hund könne ihr nicht einfach auf der Nase herumtanzen. Und sie fragte, ob ein Halti Abhilfe schaffen könne.
Wir gehen gemeinsam die Fragen durch und kommen zu folgendem Ergebnis: das langfristige Ziel der Halterin ist, dass der Hund sie möglichst überallhin begleiten kann. Er soll so leinenführig sein, dass er sich ihrem Tempo und Richtungswechseln anpasst, auch wenn sie mit anderen Personen gemeinsam unterwegs ist und ihre Aufmerksamkeit nicht dauerhaft beim Hund ist.
Den Grundstein für Leinenführigkeit hat sie bereits gelegt und fast täglich in kurzen Sequenzen mit dem Hund auf Spaziergängen im Wald geübt. Auch der Weg im Dorf vom Haus zum Brötchenholen beim Bäcker ist kein Problem. Die Stadtgänge hat sie mit dem Hund bisher vier bis fünf Mal gemacht. Dazu ist sie gezielt zum Üben alleine mit ihm in die Stadt gefahren. Dies hat immer gut geklappt. Sobald sie bemerkt hat, dass der Hund müde wurde, ist sie zum Auto zurückgegangen, um das Training mit einem Erfolg zu beenden. Seit kurzem pubertiert der junge Retriever und interessiert sich deutlich mehr für Geruchsmarken von Artgenossen als bisher. Seit Beginn dieser Phase war die Halterin noch nicht in der Stadt, weil sie noch keine Zeit zum Training gefunden hatte. Als wir den Stadtbummel mit der Freundin unter Trainingsaspekten betrachten, wird schnell klar: was auf den ersten Blick aussah, als ob der Hund Stadtspaziergänge kennt und dort seine Besitzerin bereits leinenführig begleiten kann, war eine viel schwierigere Situation für den Hund. Die Halterin war durch das Gespräch mit der Freundin abgelenkt. Dadurch hat sie dem Verhalten des Hundes nur wenig Beachtung geschenkt, solange ihr dieser wie erwartet an lockerer Leine gefolgt war. Die beiden Freundinnen waren viel länger in der Stadt unterwegs, als der Hund dies kannte. Hinzu kommt, dass er in dieser Phase der Pubertät durch die Urinmarken fremder Hund in der Stadt deutlich stärker abgelenkt war als bei dem Stadttraining, was die Halterin bisher mit ihm gemacht hat. In diesem Fall haben die Erwartungen, was der Hund bereits leisten kann, nicht zu den Fähigkeiten gepasst, die der Hund unter diesen Umständen hatte.
Das Kopfhalfter kann der Besitzerin grundsätzlich helfen, den Hund an der lockeren Leine zu führen. Insbesondere in Situationen, in denen er sich noch nicht auf die Leinenführigkeit konzentrieren kann. Dazu bedarf es zuvor der Gewöhnung des Hundes an das Tragen des Kopfhalfters, denn es stellt eine Bewegungseinschränkung dar, die direkt am Kopf auf ihn einwirkt. Die Halterin muss lernen, wie sie den Hund über die Leine und das Kopfhalfter führen kann, ohne dass ihr der Hund in einen Leinenruck läuft. Außerdem ist es wichtig, darüber nachzudenken, in welche Situationen man den Hund mitnimmt, in denen er durch die Umweltreize so abgelenkt ist, dass er am Halti geführt werden soll.
Was lernt der Hund in diesen Situationen? Ist das für das gemeinsame Training wirklich sinnvoll, oder nimmt man ihn mit, weil man in dieser Zeit keine andere Möglichkeit der Betreuung für ihn hat? Wie muss man das Training gestalten, damit man das Hilfsmittel wieder abbauen kann?
In diesem Fall hat sich die Halterin vorerst gegen ein Kopfhalfter für ihren Hund ausgesprochen. Sie hat sich vorerst dafür entschieden, das Stadttraining Schritt für Schritt weiter aufzubauen und die weitere Entwicklung des Hundes abzuwarten. Da sie die Möglichkeit hat, den Hund beim gemeinsamen Stadtbummel mit der Freundin zu Hause zu lassen, bis er die Leinenführigkeit soweit gelernt hat, dass er ein angenehmer Begleiter ist, hat sie keinen Zeitdruck, ihr persönliches Trainingsziel mit dem Hund zu erreichen.

Abschließend möchte ich sagen:

Hilfsmittel sind im Alltag mit dem Hund nützlich und wichtig. Sie ersetzen allerdings meistens kein strukturiertes Training. Oft sind sie eine sogenannte Managementmaßnahme, um bestimmte Verhaltensweisen des Hundes zu verhindern. Sie können eingesetzt werden, um den Hund vor für ihn gefährlichen Situationen zu bewahren und eine mögliche Gefährdung durch den Hund für Menschen und Tiere zu vermeiden. Für welches Hilfsmittel man sich in der individuellen Situation entscheidet, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Diese sollten Sie mit Ihrem Hundetrainer besprechen und die Vor- und Nachteile der jeweiligen Möglichkeit für sich und Ihren Hund genau abwägen. Scheuen Sie sich nicht, gegebenenfalls kritisch zu hinterfragen, warum er Ihnen zu genau diesem Hilfsmittel rät und welche Alternativen es dazu gibt. Ein gut ausgebildeter Trainer wird Ihr Interesse zu schätzen wissen und Ihnen gerne Auskunft darüber geben.
Lassen Sie sich von Ihrem Hundeerzieher und Verhaltensberater umfassend in der praktischen Anwendung des jeweiligen Hilfsmittels schulen, um es effektiv und zielführend anwenden zu können. Nur wenn Sie selbstständig in der Lage sind, es im Alltag mit Ihrem Hund situationsangemessen einzusetzen, werden Sie es als wirkliche Unterstützung empfinden.

Zur Person

Annette Möckel ist Hundefachwirtin IHK und leitet die Hunde- schule IcHundDu in der Nähe von Bad Dürkheim. Neben ihrer Tätigkeit als Trainerin ist sie Referentin und Prüferin im Zertifi- zierungslehrgang der IHK. Außerdem gehört sie dem Vorstand des BHV e. V. an.

www.hundeschule-ichunddu.de

 

 

Fotos: Pixabay