Dabei hat er gar nicht geknurrt

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Körpersprache lesen und verstehen, um Unfälle zu vermeiden

Hunde kommunizieren teilweise sehr subtil. Damit wir verstehen, was Sie uns sagen wollen, müssen wir genau hinschauen – und wissen, worauf wir achten müssen

Nein – nicht süß! Denn ein Kind, das sich auf einen Hund legt, läuft Gefahr von diesem gebissen zu werden. | Foto: pixabay

Die meisten Unfälle oder Beißvorfälle mit Hunden passieren nicht, weil der Hund übermäßig aggressiv ist. Nein. Sie geschehen, weil wir die Signale des Hundes nicht oder falsch verstehen.
Generell will ein Hund niemanden verletzen. Er legt es nicht auf eine Konfrontation an. Denn in der Regel möchte der Hund eine ernsthafte Auseinandersetzung immer vermeiden und greift nur dann wirklich an, wenn wir seine Warnungen und seine Bedürfnisse konsequent ignorieren, so dass ihm aus seiner Sicht keine andere Wahl bleibt.
In der Natur würde jeder ernsthafte Kampf so lange es geht vermieden, vor allem innerhalb einer sozialen Gemeinschaft. Denn das Verletzen eines Rudelmitglieds schwächt die ganze Gruppe und kostet unnötige Kraft und Energie.

Untereinander können Hunde meist sehr gut kommunizieren. Alle Hunde haben bestimmte Verhaltensmerkmale, die genetisch festgelegt sind und etwa mit dem Beginn der 3. Lebenswoche (= sozial-sensible Phase) mit den Wurfgeschwistern erprobt werden. Das bedeutet also: Dass Hund kommunizieren können, wird ihnen bereits in die Wiege gelegt. Allerdings können Dinge wie die Lebenssituation während der sozial sensiblen Phase die individuelle Kommunikation beeinflussen, sprich durch Lebens- und Lernerfahrungen können sich auch spezifische Merkmale entwickeln.

„Lesen wie in einem offenen Buch.“ Hunde zeigen einen Großteil ihrer Emotionen schon in der Mimik (Augen, Ohren, Lefzen). Es lohnt sich daher, auch auf Kleinigkeiten zu achten. | Foto: pixabay

Außerdem können Rassemerkmale wie eine kurze Rute, Hängeohren oder langes Fell am Kopf viele subtile bzw. typische Gesten wie das Drehen der Ohren oder das Hochziehen der Lefzen erschweren oder für andere schlecht sichtbar machen.
Wenn uns Menschen das bewusst ist, können wir unseren Hunden durchaus so manches Mal aus der Patsche helfen, wenn wir frühzeitig erkennen, wie unser Hund kommuniziert. Auch können wir helfen, Konfrontationen zu vermeiden, wenn wir beim Gassigehen vorausschauend sind. Sehen wir beispielweise schon von weitem den Erzfeind unseres Hundes in

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aufrechter Haltung, die Rute steif wedelnd oben, den Kopf und die Ohren angespannt gereckt und nach vorne gerichtet und unser Hund reagiert entsprechend – so können wir gleich abdrehen oder einen großen Bogen machen. Denn das riecht nach Konfrontation. Ist uns als Hundehalter noch keine dauerhafte Trainingsmöglichkeit gegeben worden, ist das Herausgehen aus dieser Situation der beste Weg. So umgehen wir weiteren Stress bei unserem Hund, den er bei jeder Konfrontation haben würde. Zudem lernt unser Hund, dass wir ihn lesen können und die Situation für ihn managen.
Wichtig für uns Menschen ist es, zu wissen: Kommunikation findet eigentlich immer statt und drückt die Bedürfnisse eines Individuums aus. Und es muss immer in (s)einem jeweiligen Kontext betrachtet werden. Kommunikation hat keinen Anfang und kein Ende.

Es gibt allein im Gesicht des Hunde zahlreiche Anzeichen, um Stress zu erkennen: 1) Sabbern, 2) zurück- und nach unten gezogen Lefze, 3) zurückgelegte Barthaare, 4) Whale eye, das Weiße ist in den Augen zu sehen und die Augen sind weit aufgerissen, 5) nach hinten gelegte Ohren, 6) nach unten gezogene Ohren. Das in diesem Beispielbild gezeigte „Gesamtpaket“ ist nicht immer zu sehen, oftmals sind zunächst nur ein oder zwei der vorgenannten Punkte sichtbar. | Foto: Hundeimpressionen

Ein leichtes Hochziehen der Lefzen, ein kaum merkliches Zurücklegen der Ohren, ein kurzer Blick – wir Menschen nehmen diese Signale oft gar nicht wahr und sind perplex, wenn ein Hund zubeißt. Aus seiner Sicht hat er uns aber gewarnt, aus unserer Sicht kam der Angriff aus dem Nichts. Ein kommunikatives Missverständnis ist, dass wir Menschen meist unwillkürlich auf lautliche Äußerungen oder sehr starke körperliche Gesten achten. Deshalb ist es wichtig, dass wir im Umgang mit dem Hund lernen, auch auf feine und leise Signale zu achten, diese wahr- und vor allem ernst zu nehmen.

Ob ein Hund sich gerade pudelwohl fühlt oder ob er unter Stress steht, sollten wir ebenfalls erkennen lernen, denn ein gestresster Hund kann durchaus einmal aggressiv reagieren. So wie wir Menschen eben auch. Zu typischen Stressanzeichen

Gähnen kann ein Stressanzeichen sein. | Foto: pixabay

des Hundes gehören auch sogenannte Übersprungshandlungen: sich über die Schnauze lecken, sich kratzen oder vermehrt gähnen, ja auch aufreiten gehört dazu. Das hat jeder schon einmal bei seinem Hund beobachtet und sich nichts dabei gedacht.

Sehen Sie diese Verhaltensweisen jetzt mit anderen Augen und achten Sie darauf, ob der Hund insgesamt unruhig wirkt, vielleicht zugleich stark hechelt oder die Rute hängen lässt. Helfen Sie ihm. Denken Sie nach, was ihn unterstützen könnte, um Ruhe zu finden. Finden Sie die Ursache nicht, nehmen Sie ihn als ersten Schritt aus der Situation heraus. Weitere Anzeichen von starkem und/oder länger andauerndem Stress sind: Durchfall, erweiterte Pupillen, Vokalisieren (bellen, winseln) oder eine eingeknickte Hinterhand.


Lass mich in Ruhe: So erkennen Sie, was Ihr Hund Ihnen sagen möchte

Es gibt bei Hunden verschiedene Grade der Abwehr bzw. Aggression, deren Anzeichen man auf jeden Fall kennen sollte. Meist versucht der Hund zunächst einfach defensiv, Distanz zu schaffen um eine Auseinandersetzung zu vermeiden. Fruchtet das nicht, kann er in die Offensive wechseln. Übrigens kann der Hund binnen Millisekunden in ein anderes Display, also einen anderen Ausdruck, wechseln. Oft lässt sich der genaue Moment nur mit einer Videokamera in der Slow-Motion analysieren.

Defensive Körpersprache:    

– Körperschwerpunkt ist nach hinten gerichtet
– Hinterläufe leicht eingeknickt
– Ohren nach Hinten angelegt
– Stirn wirkt glatt
– Maulspalte ist V- Förmig nach hinten gezogen und man sieht die gebleckten Zähne
– der Blick ist abgewendet
– die Rutenwurzel befindet sich auf der Höhe der Wirbelsäule
– der Hund äußert sein Unwohlsein eventuell durch ein Knurren

DAS BEDÜRFNIS:
Distanz schaffen/ Konfliktvermeidung

 Offensive Körpersprache:

– Körperschwerpunkt ist nach vorn gerichtet
– Hinterläufe sind gestreckt
– Ohren sind nach vorn gerichtet
– Stirn und Schnauze sind gekräuselt
– Augen wirken zusammengekniffen
– Maulspalte kann von V-förmig zu C-förmig wechseln
– vordere Eckzähne sind zu erkennen
– Blick ist fixierend nach vorn gerichtet
– Fell stellt sich im Nackenbereich auf (unwillkürlich/vegetatives Nervensystem / Sympathikus)
– die Rutenwurzel ist oberhalb der Wirbelsäulenlinie
– Kopf – Wirbelsäule – Rute bilden eine gerade Linie

DAS ZIEL:
weitere Distanz schaffen oder / die Bereitschaft zu einem 
gehemmten Angriff steigt

Imponierverhalten:

– hölzerner Gang um den Kontrahenten herum
– sich „groß machen“ und bei Überlegenheit den Halsbereich präsentieren
– Hunde staksen in kreisförmigen Bewegungen um sich herum
– kurzer Blickkontakt zur Kontrolle, ob Verhalten Wirkung zeigt
– Rute steil nach oben gerichtet
– Wechselspiel zwischen defensiven und offensiven Merkmalen
– reines Kräftemessen: mental und körperlich ohne Beschädigungsabsicht
– kann zu einer Spielaufforderung kommen / oder defensivem Drohen/ Merkmale siehe oben

DAS ZIEL:
Demonstration der eigenen Stellung zur Sicherung von Ressourcen wie Territorium, sofern der Gegenüber ein gleichgeschlechtlicher Partner ist. Imponiert ein Rüde gegenüber einer Hündin, sieht es im optischen Erscheinungsbild häufig identisch aus, aber hier wünscht der Rüde eher die Gunst der Hündin…. –

Sie sehen, der Kontext ist wichtig.

Autorin: Kristina Ziemer-Falke