Vertrauensbildende Übungen | Kristina Ziemer-Falke

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Vertrauen ist die Basis für eine harmonische Mensch-Hund-Beziehung. Da der Hund auch ein stetiger Begleiter in unserem Alltag ist, möchte jeder Hundehalter eine Beziehung zu seinem Hund haben, basierend auf Vertrauen und Zuverlässigkeit. Er soll einem freiwillig folgen, sich an einem orientieren und den Alltag stressfrei bewältigen können. Doch nicht jedes Mensch-Hund-Team hat bereits solch‘ eine harmonische Beziehung. Um die bisherige Beziehung noch weiter zu festigen oder um ein noch nicht vorhandenes Vertrauen erst einmal aufzubauen, können einige Übungen helfen.

 

Führung und Sicherheit ausstrahlen

Damit der Hund seinem Besitzer auch freiwillig folgt, sich an ihm orientiert und jede Situation meistern kann, muss der Hundehalter seinem Vierbeiner gegenüber Sicherheit und Führungsqualität vorweisen können. Erst, wenn der Mensch aus Hundesicht weiß, was zu tun ist und absolut verlässlich ist, kann der Hund seinem Besitzer Vertrauen schenken. Im Alltag bedeutet das beispielsweise, in der Körpersprache klar und verständlich zu sein. Wenn Körpersprache und verbale Signale nicht übereinstimmen, ist das für den Hund unsicher und nicht eindeutig. Er agiert dann lieber selbst und übernimmt vielleicht sogar Aufgaben, die der Hundehalter gar nicht von ihm verlangt. So sollte sich der Mensch beim Rückruf beispielsweise nicht vorbeugen und somit körpersprachlich den Hund auf Distanz halten, aber verbal ein Herankommen verlangen. Das kann beim Hund Stress auslösen und ihn in einen Konflikt bringen. Stattdessen sollte der Mensch aufrecht und leicht eingedreht den Hund zu sich rufen. Aber auch alltägliche Rituale können gerade bei unsicheren Hunden Sicherheit und Zuverlässigkeit hervorrufen. Dabei ist es egal, ob es Rituale im Haus sind oder auch auf dem Spazierweg. So bietet es sich an, vorm Überqueren einer Straße dem Hund ein Sitz oder Steh zu geben. Findet das regelmäßig statt, ist der Mensch für den Hund vorhersehbar und konsequent und somit auch zuverlässig.

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Auch die Gedanken sollten frei sein

Nicht nur die Körpersprache, auch die innere Einstellung spielt eine Rolle. Je freier der Mensch in seinen Gedanken ist und je mehr er sich auf den Hund einlässt, umso sicherer kann sich der Vierbeiner bei seinem Halter fühlen. Hat der Mensch Stress und spielt im Kopf den Arbeitsalltag oder den nächsten Einkauf durch, spürt der Hund die geistige Abwesenheit. Warum sollte er dann auch seinem Menschen vertrauen, wenn dieser nicht aufpasst und ihn schützt, wenn es darauf ankommt? Der Mensch sollte einen Plan haben und auch in solchen Situationen souverän reagieren, in denen plötzlich auftretende Reize mögliche Gefahren darstellen. Ist der Mensch der Situation nicht gewachsen aus Unsicherheit oder durch irgendeine unnötige Ablenkung und weiß nicht, wie er reagieren soll, bedeutet das für den Hund mangelnde Sicherheit und eine Überforderung seitens des Hundehalters. Mit Hilfe eines Trainers kann das Mensch-Hund-Team zum Beispiel üben solche Situation sicher und souverän zu meistern, sodass auch der Hund den Menschen als vertrauensvoll anerkennt.

 

Situationen gemeinsam meistern

Um Alltagssituationen sorglos durchlaufen zu können, sollte sich das Mensch-Hund-Team gemeinsam neuen Herausforderungen stellen. Ein Hund mit Selbstvertrauen schafft es auch, unvorhersehbare Situationen ohne Angst und schneller Überforderung zu meistern. Um dieses Vertrauen beim Hund selbst aufbauen zu können, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine davon ist ▶ Degility®. Bei dieser Auslastungsart soll sich das Team gemeinsam einen Parcours erarbeiten. Dieser Parcours besteht aus mehreren Elementen, die sich sowohl in Bodennähe, als auch in der Höhe befinden und unterschiedliche Schwierigkeitsstufen beinhaltet. Dabei geht es nicht darum, den Parcours möglichst schnell zu durchqueren, sondern genau in dem Tempo, welches zu dem jeweiligen Mensch-Hund Team passt. Klappt ein Element auch nicht auf Anhieb ist das nicht schlimm, sondern wird dann Schritt für Schritt erarbeitet, sodass Hund und Mensch mit Erfolg aus dem Training gehen. So kann der Mensch lernen seine Körpersprache bewusst einzusetzen und der Hund lernt, etwas scheinbar schwer Überwindbares zu meistern. Das gibt natürlich Selbstvertrauen.

Dieses Bewältigen von einzelnen Parcourselementen kann aber auch mit in den Alltag integriert werden. So können im Wald Baumstämme dazu dienen, zu balancieren oder sie einfach zu überwinden, selbst wenn sie wackelig oder hoch erscheinen. Auch eine Steinmauer kann zum Balancieren und Überwinden von Höhen genutzt werden. Zu Hause kann ein Kindertrampolin bereits eine Herausforderung für den Hund sein. Wenn der Hund älter wird oder es sich um einen großen Hund handelt, bietet es sich an, den Hund über eine Rampe ins Auto zu führen anstelle ihn hineinspringen zu lassen. Diese Rampe kann für viele Hunde eine Herausforderung darstellen und das Erreichen des Ziels kann dem Hund Selbstvertrauen geben.

Der Sommer in diesem Jahr hat allen Vierbeinern und auch Menschen einiges abverlangt. Die Insekten waren zahlreich vertreten und haben den Alltag von morgens bis abends begleitet. So hatten viele für Terrassen- bzw. Balkontüren Fliegengitter als Streifen oder auch aus Flatterband oder Perlen Streifen, die ein Eindringen der Insekten verhindern sollte. Für den Hund ist das Durchqueren solcher Streifen schon sehr spannend und durchaus angsteinflößend. Derartiges ist schon eine gute Übung im Alltag, um den Hund selbstsicher an Durchgänge oder an bewegliche Hindernisse heranzuführen.

Andere Auslastungsmöglichkeiten, die das Selbstvertrauen des Hundes stärken, sind beispielsweise Mantrailing. Dabei wird der Hund über ein Geschirr und einer Schleppleine weit vor dem Hundeführer geführt. Der Hundehalter muss seinem Hund vertrauen können, dass er den richtigen Weg zur vermissten Person findet ohne ihn zu behindern. Oft fällt es den Menschen schwer in diesem Moment dem Hund die Führung zu überlassen und nicht einzugreifen oder ihn zu korrigieren. Doch der Hund hat die eindeutig bessere Nase und kann die feinsten Geruchspartikel riechen und den Weg sich so erarbeiten. Mit einem gut qualifizierten Mantrailing-Trainer wird das Mensch-Hund-Team an die Arbeit herangeführt und der Hundehalter kann lernen, loszulassen in der jeweiligen Situation und dem Hund zu vertrauen.

Das waren nur einige wenige Beispiele, um Vertrauen in einer Mensch-Hund-Beziehung zu manifestieren oder gar ganz neu aufzubauen. Zu dieser Thematik gehören noch viele andere Aspekte wie gemeinsames Spiel, was eindeutig die Beziehung zwischen Hundehalter und seinem Vierbeiner stärkt. Vor allem, wenn richtig zusammen gespielt wird ohne zusätzliches Spielzeug. Dabei kann auch ganz wild getobt werden oder sich auch auf dem Boden gewälzt werden. Wichtig dabei ist, dass die Rollen im Spiel regelmäßig gewechselt werden und eine entspannte Atmosphäre herrscht. Denn nur in entspanntem Zustand ist ein gesundes gemeinsames Spiel möglich.

 

Zur Person

Kristina Ziemer-Falke ist zertifizierte Hundetrainerin und Verhaltensberaterin durch die Tierärztekammer Schleswig-Holstein und das Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Darüber hinaus verfügt sie über viele Zusatzausbildungen und Schwerpunkte und ist im Prüfungsausschuss der Tierärztekammer Niedersachsen für die Hundetrainerzertifizierungen. Mit ihrem Mann Jörg Ziemer gründete sie das Schulungszentrum Ziemer & Falke, in dem sie seit vielen Jahren mit viel Herz, Leidenschaft und Kompetenz Hundetrainer in ganz Deutschland ausbilden und viele Weiterbildungsangebote anbieten. Viele kennen Kristina außerdem als erfolgreiche Autorin von Fachbüchern für Hundetrainer und Hundehalter sowie aus Artikeln beliebter Hundezeitschriften.