Nach der Rückkehr des Wolfes nach Deutschland gibt es immer wieder Probleme mit Landwirten, die Tiere halten. Der Einsatz von Herdenschutzhunden trägt dazu bei, Angriffe von Wölfen auf Schafe oder Ziegen zu verhindern.
Der Wolf ist endgültig zurück in Deutschland. Nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz wurden während des Monitoringjahres 2018/2019 105 Wolfsrudel, 25 Wolfspaare sowie 13 ortstreue Einzelwölfe nachgewiesen. Für Tierfreunde und Naturschützer ist das eine prinzipiell gute Nachricht. Doch obwohl eine über zehn Jahre laufende Studie des Senckenberg-Forschungsinstituts in Görlitz für die Wölfe in der Lausitz nachgewiesen hat, dass wilde Huftiere mehr als 96 Prozent der Beute ausmachen, werden auch immer wieder Schafe und Ziegen gerissen. So gab es nach einem Bericht der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) im Jahr 2018 bundesweit 639 gemeldete Übergriffe. Deutschlandweit wurden insgesamt 2.067 landwirtschaftlich genutzte Tiere – darunter 1.656 Schafe – getötet, verletzt oder anschließend vermisst. Das hat vor allem zwei negative Folgen: Zum einen erleiden die Tierhalter finanzielle Verluste, zum anderen nimmt die Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber dem Wolf mit jedem gerissenen Schaf ab.
Den Wolf erneut auszurotten, ist bei uns keine Option, zum Glück. Es muss vielmehr darum gehen, die sogenannten Nutztiere auf der Weide – und nicht nur in Wolfsregionen – effektiv zu schützen. „Wenn sie nicht überall geschützt werden, kann es immer wieder in Einzelfällen zu Rissen kommen. Dadurch lernt der Wolf schnell, dass Tiere in der Landwirtschaft leichte Beute sind“, sagt James Brückner, Leiter der Abteilung Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. Für den wirksamen Schutz spielen, neben ausreichend hohen und bis zum Boden reichenden Elektrozäunen, speziell gezüchtete und ausgebildete Herdenschutzhunde eine zentrale Rolle – eine seit Jahrhunderten erprobte Methode. Wölfe sind sehr vorsichtige Tiere und vermeiden Kämpfe, um sich nicht zu verletzen und so für ihre oft langen und kraftraubenden Beutezüge zu schwächen.
HERDENSCHUTZHUNDE BETRACHTEN WEIDETIERE ALS TEIL DER FAMILIE
Um ein verbreitetes Missverständnis auszuräumen – Herdenschutzhunde sind keine Hütehunde. Sie sollen die Herde nicht zusammenhalten, sondern gegenüber Angreifern schützen, müssen also groß und kräftig sein. Von den rund 350 weltweit existierenden Hunderassen wurden knapp 30 für den Schutz von Weidetieren gezüchtet. In Deutschland eingesetzt werden vor allem der Pyrenäenberghund, der Kangal und der Maremmano Abruzzese. Gut ausgebildete Herdenschutzhunde betrachten die von ihnen beschützten Weidetiere als Teil der Familie. Sie leben schon als Welpen in unmittelbarer Nähe von Schafen oder Ziegen, spielen und „kämpfen“ mit ihnen und lernen so von Beginn an, dass diese Tiere zu ihrem Sozialverband gehören. Ob in dem kleinen Hund ein späterer Herdenschützer steckt, zeigt sich erst beim Heranwachsen und während des Einsatzes.
Der ist mitunter schmerzhaft, etwa bei der ersten – und hoffentlich einzigen – Begegnung mit dem Elektrozaun. Denn der muss künftig tabu sein, schließlich sollen die Hunde bei ihrer Herde bleiben. Seriös gezüchtete und gut sozialisierte Hunde benötigen nur wenig, dafür sehr klare menschliche Anleitung. Einen Großteil der Erziehung übernehmen die älteren Hunde. Sie zeigen dem Nachwuchs, dass er nicht zu heftig mit den anvertrauten Tieren spielen darf, dass völlige Friedfertigkeit oberstes Gebot ist. Gelingt dies, ist ein Teil der Prüfung zum Herdenschutzhund bestanden. Ebenso wichtig ist es, dass sie jeden potenziellen Angreifer, der sich dem Zaun von außen nähert, mit selbstbewusstem, von lautem Bellen begleitetem Auftreten vertreiben und notfalls sogar angreifen. Ein weiteres Kriterium ist die Folgsamkeit gegenüber dem Schäfer, schließlich müssen die Hunde regelmäßig mit ihrer Herde umziehen.
TIERSCHUTZ-HUNDEVERORDNUNG ANPASSEN
So sinnvoll der Einsatz von Herdenschutzhunden ist, so sehr wird er durch das bei uns herrschende Tierschutzrecht in Teilen erschwert. Es schreibt unter anderem vor, bei der Außenhaltung Schutzhütten bereitzustellen, obwohl die Hunde diese weder benötigen noch nutzen. Der Bundestag hat die Bundesregierung bereits im Juni 2018 aufgefordert, die Tierschutz-Hundeverordnung entsprechend anzupassen. In seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf des zuständigen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 11. September 2019 hat der Deutsche Tierschutzbund dazu Vorschläge gemacht. So sollen „Herdenschutzhunde während ihrer Tätigkeit oder ihrer Ausbildung zum Schutz von landwirtschaftlichen Nutztieren vor Beutegreifern im Freien gehalten werden dürfen, wenn sichergestellt ist, dass jedem Herdenschutzhund ausreichend Schutz vor widrigen Witterungseinflüssen zur Verfügung steht …“ Zur Begründung heißt es: „Herdenschutzhunde wählen ihren Schlafplatz so, dass sie den Überblick über ihre Herde behalten. Gesunde, adulte Herdenschutzhunde sind robust gegen raue Wetterbedingungen und liegen gerne auf Anhöhen. Als Schutz vor direkter Sonneneinstrahlung und als Witterungsschutz nutzen sie zum Beispiel Baumgruppen beziehungsweise suchen sie die körperliche Nähe zu ihrer Herde. Geschlossene Hütten beziehen sie in der Regel nicht, um den Überblick über ihre Herde nicht zu verlieren. Im Falle eines Wolfsangriffes kann eine geschlossene Hütte auch eine Sackgasse für den Hund darstellen.“
RISIKO MINIMIEREN, KONFLIKTE EINDÄMMEN
Herdenschutzhunde minimieren bei richtigem Einsatz und entsprechendem Management der Herden die Gefahr eines Übergriffs durch Beutegreifer erheblich. „Ein kleines Restrisiko ist jedoch nicht auszuschließen“, so das Fazit von Brückner. Potenzielle Konflikte mit Nachbarn, Touristen, Radfahrern oder anderen Tieren seien ebenfalls nie ganz zu verhindern, ließen sich aber durch eine gute Ausbildung der Hunde, intelligente Besucherlenkung und die Information der Öffentlichkeit spürbar reduzieren. „Insgesamt ist der Einsatz von Herdenschutzhunden sinnvoll. Es ist aber keinesfalls nötig, sie flächendeckend einzusetzen, zumal es in Deutschland bislang ohnehin nicht genug ausgebildete und von zertifizierten Züchtern stammende Hunde gibt.“ Dr. Katrin Umlauf, Leiterin des Tierschutzzentrums Weidefeld und Referentin für Hunde beim Deutschen Tierschutzbund, berichtet von durchschnittlich ein bis zwei Herdenschutzhunden, die in den dem Verband angeschlossenen Tierheimen landen. Herdenschutzhunde kämen zunehmend in Mode, auch und gerade bei Privatpersonen, die nichts mit Nutztierhaltung zu tun haben. „Die Hunde stammen aber selten aus Herdenschutzprogrammen, sondern werden direkt aus dem Ausland angeschafft – und wachsen ihren Haltern dann über den Kopf“, so Umlauf.
Quellenangabe
Beitrag: Autor: BERND PIEPER, Geschäftsführer Kommunikation beim Deutschen Tierschutzbund
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