Mobilitätsassistenzhunde
Hunde sind nicht nur beste Freunde der Menschen, sie können uns oft auch auf besondere Weise im Alltag helfen, sowohl seelisch als auch praktisch. Mit einer Serie zu verschiedenen Assistenz- und Rettungshunden möchte die Agila Haustierversicherung diese besonderen Tiere und die von ihnen erbrachten Leistungen würdigen. Der zweite Teil dieser Serie befasst sich mit Hunden, die Menschen im Rollstuhl helfen, selbstständig ihren Alltag zu bewältigen. Agila hat einen Tag lang Emily, eine junge Frau, die auf einen Rollstuhl angewiesen ist, und Xantho, ihren Königspudel, begleitet.
Es ist Freitag. Emily und Xantho stehen wie meistens gegen 9 Uhr auf. Seit die beiden vor ein paar Monaten in eine eigene kleine Wohnung umgezogen sind, ist ihre Bindung noch stärker geworden. Vorher wohnten sie bei Emilys Eltern, die der 24-jährigen natürlich viel im Alltag geholfen haben. Jetzt können die beiden das allein.
Heute ist ein guter Tag, Emily wäscht sich und zieht sich selbstständig an. Manchmal geht das nicht so gut, an schlechten Tagen verweigern ihr die Hände teilweise den Dienst. Dann hilft Xantho beim Aus- und Anziehen. Er kann sogar einen Reißverschluss auf- oder zumachen. Auch die Auswahl ihrer Kleidung überlässt Emily heute Xantho. Denn seit ihrem Unfall 2018, als sie ein schweres Schädelhirntrauma erlitt, funktioniert ihr Geruchssinn nicht mehr hundertprozentig. Deshalb überprüft der Pudel die Kleidung, beziehungsweise stupst sie an dem Körperteil an, für den ein frisches Kleidungsstück gebraucht wird. Das T-Shirt bringt der Rüde heute direkt in den Wäschekorb und holt Emily ein frisches aus dem Schrank.
Nach dem Frühstück und einer kurzen Gartenrunde für Xantho fährt Emily wie jeden Freitag mit dem Taxi zur Physio. Ihre barrierefreie Einliegerwohnung ist ebenerdig und über den stufenlosen Eingang gelangt sie problemlos zum Auto. Den Fahrer kennt sie, er hat quasi einen Dauerauftrag für alle Fahrten zu den fast täglichen Therapien. Xantho nimmt sie nicht mit zur Physio, er könnte dort nichts helfen, deshalb bleibt er alleine zu Hause. Glücklich ist er darüber nicht, weil er in dieser Zeit nicht auf Emily aufpassen kann. Aber er fügt sich und wartet in den ca. anderthalb Stunden geduldig auf die Rückkehr seines Schützlings. Als Emily endlich gegen 13 Uhr zurückkommt, freut sich der Vierbeiner überschwänglich, als wäre sie mehrere Tage weg gewesen. „Das ist einfach das Schöne an einem Assistenzhund, er freut sich immer auf dich und er liebt es, dir zu helfen. Man muss ihn auch nicht darum bitten, Xantho ist ja sogar kreuzunglücklich, wenn er die Verantwortung für mich zeitweise mal abgeben muss“, beschreibt Emily den Unterschied zwischen der Hilfe des Hundes und menschlicher Unterstützung. Ganz zu Beginn ihrer gemeinsamen Ausbildung zum Assistenzhunde-Team hatte die damals 20-Jährige ein Erlebnis mit dem gerade erst dem Welpenalter entwachsenen Xantho, das ihr diese bedingungslose Hilfsbereitschaft zum ersten Mal deutlich machte: „Wir waren nur zu zweit beim Training am Flughafen. Es war voll und ich war sehr nervös. Prompt sind mir meine Sonnenbrille, mein Geldbeutel und mein Schlüssel runtergefallen und haben sich über den Vorplatz verteilt. Bevor ich den Schaden überhaupt registriert hatte, fing Xantho schon von alleine an, alles wieder aufzusammeln und mir auf den Schoß zu legen. Er macht das ohne Kommentar, ohne Bewertung, ohne Mitleidsbekundung, einfach weil es ihn glücklich macht, mir zu helfen.“
Nach dem Mittagessen gehen Emily und Xantho im benachbarten Park spazieren, auch das können die beiden neuerdings alleine. Beim Haus ihrer Eltern ging das nicht, weil es am Hang liegt und ihr Rollstuhl nicht motorbetrieben ist. Damals brauchte sie immer Hilfe von einem Menschen, wenn sie aus dem Haus wollte. Die Ampel auf dem Weg in den Park steht auf Rot, Xantho berührt mit der Schnauze den Schalter und setzt sich neben den Rollstuhl. „Auch wenn kein Auto weit und breit in Sicht ist und ich ihn auffordern würde, die Straße bei Rot zu überqueren, würde Xantho das nicht machen“, erläutert Emily das Verhalten des Hundes. Diese gewollte Befehlsverweigerung ist eine wichtige Aufgabe von Assistenzhunden, besonders wenn es um Stimmungen und den körperlichen Zustand ihres Teampartners geht. Sie spüren meist deutlich früher, wenn dieser seine Leistungsgrenzen erreicht oder auch wenn eine Schmerzattacke naht. Dann sorgen sie – oft gegen den ausdrücklichen Befehl ihres Haltenden – dafür, dass dieser die kraftraubende Tätigkeit unterbricht und sich ausruht. Sie verweigern ihm einfach den Dienst, legen sich irgendwo in den Weg und zwingen so ihren Schützling zu verweilen. Emily hat gelernt, die Zeichen von Xantho zu deuten: „Seine Stärke ist, dass er so sensibel ist. Wenn mein Kreislauf beispielsweise zu schlecht ist, lässt er mich nicht zur Physio gehen. Er versperrt mir den Weg und besteht darauf, dass ich mich ausruhe. Dann weiß ich genau, wenn ich jetzt trotzdem gehe, wird mich die Therapeutin unverrichteter Dinge nach Hause schicken und ich werde mich den Rest des Tages körperlich noch schlechter fühlen.“
Am Nachmittag gehen Emily und Xantho einkaufen. Der Supermarkt unweit ihrer Wohnung duldet den Hund im Verkaufsraum. Seit 2021 dürfen ausgebildete Assistenzhunde-Teams alle öffentlichen Gebäude zusammen betreten, also auch Lebensmittelgeschäfte, Kirchen oder Behörden. Das Hausrecht steht allerdings nach wie vor über diesem Gesetz. Deshalb hatte Emily kurz nach dem Umzug die Erlaubnis erfragt und erhalten.
Sie kauft Brokkoli, Äpfel, Auflaufkäse und alkoholfreien Sekt für eine Party bei Freunden, zu der sie heute Abend eingeladen ist. Die Sachen verstaut sie an der Kasse hinter sich in der Ablage ihres Rollstuhls. Wieder zu Hause ruhen sich die beiden ein bisschen aus, bevor sie sich ausgehfein machen. Das Taxi kommt pünktlich um 19 Uhr und bringt sie zu der Party bei Emilys Freunden. Lang kann die junge Frau allerdings nicht bleiben, denn der Tag war anstrengend. Schon bald signalisiert Xantho, dass seine Partnerin ihre Leistungsgrenze erreicht hat. Er wird unruhig und läuft immer wieder zum Ausgang. Emily seufzt: „Schade, dass ich schon gehen muss, aber Xantho hat Recht, morgen würde es mir schlecht gehen, wenn ich jetzt bleiben würde. Ich wäre doof, nicht auf ihn zu hören. Ich verdanke ihm so viel. Ich komme viel mehr raus durch ihn, er gibt mir Sicherheit und stärkt mein Selbstbewusstsein und er sorgt dafür, dass ich relativ selbständig leben kann.“
Quellenangabe
Beitrag: AGILA Versicherung
Bilder: AGILA Versicherung / Miriam Castle-Weiss