Gewitter im Gehirn

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Verlauf und Formen epileptiformer Anfälle beim Hund

Epileptiforme Anfälle sind bei Hunden immer verbreiteter. Hiervon können jedoch alle Lebewesen, die ein komplexes Nervensystem besitzen betroffen sein. Da die Epilepsie viele Gesichter hat sollte man ehr den Begriff „epileptiforme Anfälle“ verwenden. Die Anfälle haben ein vielfältiges Erscheinungsbild.

Unterstützung des Tierbesitzers

Um epileptiforme Anfälle zu verstehen ist die Literatur aus dem Humanbereich hilfreich. Die emotionale Belastung des Tierbesitzers bei dieser Erkrankung darf man nicht außer Acht lassen. Das Erleben eines epileptischen Anfalles ist für den Tierbesitzer nicht ohne. Hier ist eine Unterstützung für den Tierbesitzer extrem wichtig.

Definition der Epilepsie

Die Epilepsie ist eine plötzlich auftretende, kurz anhaltende und rasch verschwindende Funktionsstörung des Gehirns. Die Funktionsstörung entsteht durch unkontrollierte elektrische Ladungen und kann von wenigen Sekunden bis zu einigen Minuten andauern. Man spricht von einer Epilepsie, wenn mindestens ein epileptischer Anfall aufgetreten ist.

Die plötzlichen (paroxysmalen) Entladungen können in kleineren Nervenzellverbänden des Gehirns oder in beiden Großhirnhälften auftreten. Je nach Ausdehnung der Entladung kommt es zu mehr oder weniger ausgeprägten Störungen des Bewusstseins, der Wahrnehmung, der Motorik (Bewegung), des psychischen Verhaltens und des unwillkürlichen Nervensystems.

Klassifizierungen der Epilepsie

Grundsätzlich unterscheidet man zwei Formen der Epilepsie.

a) Idiopathische Epilepsie = primäre Epilepsie = „echte Epilepsie“

(griech.: idios = von Natur aus, pathos = Krankheit)

Bei der idiopathischen Epilepsie liegt eine funktionelle Hirnveränderung vor, so dass es zu einer plötzlichen und gleichzeitigen Entladung in den beiden Hirnhemisphären kommt. Im Vergleich mit gesunden Tieren findet man hier eine verminderte Reizschwelle für Überregung im Gehirn, die durch eine vererbte Veranlagung entsteht. Bei einigen Hunderassen (z.B. Berner Sennenhund, Labrador, Golden Retriever, Collie, Beagle und einigen mehr) ist sicher belegt, dass die primäre Epilepsie eine Erbkrankheit ist. Die Erblichkeit überspringt häufig eine Generation. Betroffene Tiere sollten von der Zucht ausgeschlossen werden.

Diese Form ist meist altersgebunden und tritt in der Regel mit einzelnen Anfällen zwischen dem ersten bis viertem Lebensjahr auf. Weitere Symptome treten selten auf. Im Verlauf der

Erkrankung kommt es zu zunehmenden Anfallsfrequenzen und zunehmender Anfallsdauer. Zwischen den Anfällen sind die Tiere unauffällig.

b) symptomatische Epilepsie = sekundäre Epilepsie = erworbene Epilepsie

(griech.: symptoma = Begleiterscheinung)

Die Anfälle entstehen durch frühere oder vorhandene erworbene Erkrankungen, die zu einer nicht physiologischen Entladung der Neurotransmitter im Gehirn führen.

Die Ursache kann eine erworbene strukturelle Hirnveränderung als Folge von einem Trauma, einer Entzündung oder anderen Hirnerkrankungen sein. Auch als Folge einer Leber- oder Nierenerkrankung, Vergiftung, Hormonimbalancen, Infektion z. B. Staupe, Tetanus, psychischer Erregung, Herzrhythmusstörungen sind epileptiforme Anfälle möglich. Die Anfälle können in jedem Alter auftreten.

Anfallsformen
1. Generalisierte Anfälle

Die Entstehung kann primär und sekundär erfolgen.

Bei den generalisierten Anfällen kommt es zu einer plötzlichen ungleichmäßigen Entladung von Neuronen in beiden Großhirnhälften.

Es tritt ein teilweiser bis totalen Bewusstseinsverlust auf. Der ganze Körper krampft und/oder es kommt zu heftigen Muskelzuckungen. Häufig kommt es auch zum Speicheln, Erbrechen, Harn- und/oder Kotabsatz, Fehlhandlungen, Wesens- oder Verhaltensänderungen bis hin zur Aggressivität. Die Verhaltensveränderungen können Stunden bis Tage nach dem Anfall anhalten.

Beim generalisierten Anfall gibt es folgende Anfallsarten:
Generalisierter tonisch-klonischer Anfall („Grand mal Anfall“):
Nach dem Bewusstseinsverlust des Tieres stürzt es. Anschließend kommt zu einer Tonuserhöhung der gesamten Skelettmuskulatur, also zur Verkrampfung. Danach folgt die klonische Phase mit heftigen Muskelzuckungen z. B. Laufbewegungen, Kieferschlagen.

Generalisierter tonischer Anfall:
Bei dieser Form des Anfalls kommt es zur starken Tonuserhöhung der gesamten Skelettmuskulatur. Die Tiere Verkrampfen die Muskulatur. Häufig kommt es zum festen Kieferverschluss.

Generalisierter klonischer Anfall:
Diese Anfallsart ähnelt sehr dem generalisierten tonisch-klonischen Anfall. Es fehlt jedoch die Versteifung und es kommt zu rhythmischen Muskelkontraktionen, also zu unregelmäßigen oder einzelnen Zuckungen einzelner Muskelgruppen.
Hier kann man noch zwischen dem myklonischen Anfall unterscheiden, bei dem die Streckmuskulatur betroffen ist oder dem tonischen Anfall, bei dem die Beugemuskulatur betroffen ist.

Atonische (astatische) Anfälle:
Hier kommt es zum plötzlichen Tonusverlust der Muskulatur.

Absence (früher Petit-mal Anfall):
Dies sind Anfälle mit kurzen Bewusstseinsstörungen/Bewusstseinspausen. Die Tiere stürzen nicht.

Bei allen generalisierten Anfällen sind die Tiere in der post-ictalen-Phase erschöpft und schwer bis nicht mehr ansprechbar. Die Dauer der Phase ist abhängig vom Anfall.
Andere Tiere zeigen nach einem Anfall starken Hunger oder Durst. Manche Tiere zeigen Angst, Aggressivität oder Ataxie, die kurz anhalten kann oder anhaltend sind.

2. Fokale Anfälle, partieller Anfall oder Herdanfall:

Bei dieser Anfallsart ist nur ein begrenzter Nervenzellverband des Gehirns betroffen.Es ist ein Zeichen für den Beginn eines „Anfallgeschehens“.

Bei den einfachen fokalen Anfällen ist in der Regel das Bewusstsein noch vorhanden; es kommt häufig vor allem zu motorischen Symptomen, wie z. B. Zucken der einzelnen Gliedmaßen, Speicheln, Zucken einzelner Muskeln.

Bei den fokalen Anfällen mit komplexer Symptomatik ist das Bewusstsein bereits eingeschränktt; die Tiere zeigen sich ruhelos und konfus (abwesender Blick, Verlust der Orientierung), kurzzeitige Verhaltensstörungen.
Fokale Anfälle werden nicht oder nur schwer erkannt und können sich unerkannt zu generalisierten Anfällen ausweiten.

3. NichtklassifizierbareepileptischeAnfälle

Hier spricht man von Anfällen, die aufgrund fehlender oder unvollständiger Daten nicht eingeordnet werden können.

Anfallsverlauf

  • Promodalstadium
    In der Phase vor dem Anfall zeigt das Tier eventuell Ruhelosigkeit, verändertes Verhalten, Angst, teilweise auch leichte Aggressivität oder Futterverweigerung
  • Die Aura
    Im Humanbereich beschreiben die Patienten die „Aura“ als ein „unklares Vorgefühl“. Das „Gefühl“ist die epileptische Aktivierung der Nervenzellen einer umschriebenen Hirnregion. Es kann ein sekundär generalisierter Anfall darauf erfolgen.
    Tiere können in solchen Situationen Verhaltensweisen wie Zuckungen einzelner Muskelgruppen, im Kreis laufen, Anbellen fiktiver Personen, Kieferklappern, Fliegenschnappen, ins Leere Starren oder starkes Einspeicheln zeigen.
  • Iktus
    Das ist der eigentliche Anfall. Die Gesamtdauer kann von zwei bis fünf Minuten andauern. Bei einigen Rassen wie Schnauzer oder Border Terrier sind auch Anfälle von 10 bis 20 Minuten zu beobachten.
  • Status epilepticus
    Hiervon spricht man, wenn ein Anfall länger als 20 Minuten ohne Unterbrechung anhält. Die Tiere sind nicht mehr ansprechbar, häufig bewusstlos. Dieser Zustand ist lebensbedrohlich und wird in der Regel vom Tierarzt durch eine Narkose unterbrochen.

Je länger der Anfall anhält, desto größer ist die Gefahr, dass es zu einer Schädigung des Gehirns kommt. Ein Status epilepticus kann auch tödlich verlaufen.

Epileptiforme Anfälle sind sehr komplex und individuelle. Die Diagnose ist für den Hundebesitzer erst einmal ein Schock. Mit einer guten Therapie, sowohl konventionell und mit alternativen Methoden kann man dem Hund ein gutes Leben bieten.

Wenn Du Fragen zu dem Thema hast melde dich gerne und vereinbare ein kostenfreies Kennenlerngespräch mit mir: www.sez-nk.de

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